„Kleinmaßnahmen zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern – Finanzierungswege, Konzepterstellung, Hinweise zur Umsetzung“ hieß – etwas sperrig – das Seminar der NNA Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz, Schneverdingen, das eine Vielzahl Interessierter am 11. Februar 2014 zusammenkommen ließ. Die Vorträge wurden dort nach und nach ins Netz gestellt und sind inzwischen (2025) längst verschwunden – soviel also zum Spruch „Das Internet vergisst nichts“.
Hier steht ein Kurztext zu meinem Vortrag „Technische Möglichkeiten der Fließgewässerentwicklung bei fehlender Flächenverfügbarkeit – Varianten des Instream-Restaurierens“ mit Verlinkungen als pdf-Datei zur Verfügung.
Die Referenten waren sich mit den Teilnehmern einig, dass – nicht nur in Niedersachsen – zwischen Wissen und Handeln eine riesige Realisierungslücke im Hinblick auf die gesetzlich festgelegten Ziele des Gewässerschutzes klafft. Das ist um so erstaunlicher und bedauerlicher, als die Bundesrepublik Deutschland diese Ziele (z.T. im deutschen Wasserrecht seit 1977 enthalten) entscheidend mit in die seit 2000 geltende EG-Wasserrahmenrichtlinie formuliert hat. Zur Zeit der Vorbereitung dieser Richtlinie, erinnern wir uns, waren Dr. Klaus Töpfer und Dr. Angela Merkel deutsche Umweltminister.
Das NNA-Seminar war maßgeblich organisiert von der UAN, die mit der wib (Wasserrahmenrichtlinien-InfoBörse) gute Beispiele zum Nachahmen allen zur Verfügung hielt – leider auch dem Nirwana anheim gefallen.
Von allen Referenten wurde darauf hingewiesen, dass es unabdingbar ist, das Gewässer in seinen vielfältigen hydrologischen und ökologischen Strukturen und Funktionen zu verstehen, um geeignete Verbesserungen initiieren zu können.
Hier einige willkürliche, sinngemäß widergegebene Zitate der Referenten, bevor Fotos von der Exkursion zum Geestbach Fintau, Einzugsgebiet Wümme – Weser, folgen.
Joachim Wöhler, Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz: „Angesichts der Fließgewässerverteilung innerhalb des niedersächsischen Gewässernetzes – 130-tausend km Gew. 3. Ordnung – 28-tausend km Gew. 2. Ordnung und ca. 2-tausend km Gew. 1. Ordnung trifft das Zitat der UAN: Wir müssen das Bewusstsein für die scheinbar unbedeutenden Gewässer 3. Ordnung wecken!“
Prof. Dr. Heiko Brunken, Hochschule Bremen: „Fachlichkeit heisst, das System Bach verstehen. Simpel ausgedrückt baut es auf die Abfolge Erle – Bachflohkrebs – Forelle. – Mein Fazit: Gehölze ans Gewässer – Holz ins Wasser – Wald in die Aue.“
Peter Sellheim, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz, Hannover: „Sach- und Fachverstand sind die Grundlage unseres Handelns, auf nicht geeignete Maßnahmen ist zu verzichten.“
Ralf Brandt, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz, Verden, erläuterte sehr anschaulich die Antragsformulare und den Ablauf zur Förderung der Fließgewässerentwicklung.
Dr. Jens Salva, Landesfischereiverband Weser-Ems e.V. begleitete die Seminar-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer von der Idee zur gelungenen Maßnahme anhand einer Vielzahl guter Beispiele. Er wies auch auf die Bedeutung des „Sehen lernen“ hin: „Man hüte sich vor der Situation: Das Auge freut sich, das Gewässer aber arbeitet und lebt nicht.“.
Ralf Gerken, Landessportfischerverband Niedersachsen, führte auf der Exkursion zur Fintau, einem Nebenfluss der Wümme, die Entstehung der Geest, einer charakteristischen Eiszeiten-gestalteten Landschaft vor. Kärtchen standorttypischer Fische und Wirbellosen (jedes Kärtchen repräsentierte 1 % der Lebensgemeinschaft) wurden von den Seminarteilnehmern unterschiedlichen Gewässersohlenstrukturen zugeordnet. Sehr deutlich trat die Bedeutung von Kies/Geröll und Holz/Wurzeln/Totholz hervor. – Mehr dazu in den folgenden Fotos.

Auenwald – der Name des Tagesgetränks im Seminar repräsentierte geradezu das wesentliche Rückgrat eines gesunden Fließgewässers.
Wer dazu mehr lesen möchte, findet Geeignetes zum Beispiel hier.

Wer in solchen Bach hineinsieht, erblickt oft genug – – – Treibsand! Ein Sandbach also? – Versetzen wir uns einmal in die Entstehungsgeschichte hiesiger Bäche …

Ralf Gerken vom Landessportfischerverband Niedersachsen hat sein Experiment zur Landschaftsentstehung, Nacheiszeitlandschaft Geest, gut vorbereitet.
Einige Informationen zur Geest finden sich auch hier.

Über die Zeit präpariert das Wasser durch Wegspülen feiner Materialien Grobmaterial heraus. Der Kiesbach ist das Leitbild in der Geestlandschaft – und, oft genug, durch Weitertransport der Kiese, auch darüber hinaus.
Nachzulesen ist die Geschichte im Detail bei Altmüller und Dettmer (1996).

Und nun zum Lebensraum – welche Bedeutung haben die verschiedenen Bachstrukturen: bewegter oder stabil liegender Sand, Wasserpflanzen, Baumwurzeln und Holz, Kies und Geröll?

Fischkärtchen mit Öko-Ansprüchen – jede Karte repräsentiert 1 % der Fischgemeinschaft. Jeder der 50 Kursteilnehmer erhält also 2 Kärtchen. – Wo werden sie landen?

Interessant: die Fische der Bäche und kleinen Flüsse konzentrieren sich bei Kies und stabil liegendem Sand. Holz spielt eine große Rolle, Wasserpflanzen dagegen nicht.

Siehe da, das Bild bestätigt sich – auch die Wirbellosen fordern den Kiesbach, noch etwas stärker als die Fische bei „Holz“ präsent.

Und so sieht ein fachkundig restaurierter Geestbach aus. Meerforellen haben bereits daran gearbeitet. Ihre Laichbetten – Loch geschlagen, der Kies von der Strömung auf einen kleinen Berg gehäuft – belebt die turbulente Charakteristik der Fintau.

Die turbulente Strömung entmischt – hier, vorn links, ein Treibselhaufen aus Totholz, reichhaltige Speisekammer für Spezialisten.

Noch einmal im Detail die Meerforellen-induzierte Sohlstruktur vor individueller Alt-Erle: Strömung von rechts, das von den Laichfischen „gegrabene“ Strudelloch, abwärts der rauschende Kiesberg mit den Eiern drin.

Vor der Rückfahrt zum Schlussvortrag und zur Schlussdiskussion in der NNA versammeln sich die Teilnehmer und erfahren das unerfreuliche Ergebnis der Elektrofischerei: noch immer wirkt die extreme Stoßverschmutzung durch Organik einer Biogasanlage nach. So gut wie kein Fisch fand sich heute an dieser sonst von Hunderten Forellen und Mühlkoppen charakterisierten Strecke.
Die zunehmende Problematik Gülle- und Biogas-„Unfälle“ findet sich an anderer Stelle regelhaft dokumentiert. „Unfall“ ist für diese Katastrophen ein allzu niedliches Wort.
Der Schlussvortrag ist ganz oben in diesem Beitrag bereits verlinkt. Trotz fortgeschrittener Zeit belegte die ausführliche Diskussion die Bedeutung des Tagesprogramms. – Es bleibt weiter (allzu) viel zu tun. Stellen wir uns den konkreten Herausforderungen!




Hinterlasse einen Kommentar