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Archive for 24. März 2012

Die Neunaugen sind Fisch des Jahres 2012, dabei sind sie doch gar keine Fische. Lesen Sie mehr dazu im vorstehenden Link.

In der Seeve, südlicher Elbe-Nebenfluss Niedersachsens flussauf der Hansestadt Hamburg, gibt es Bach-, Fluss- und Meerneunaugen – ja, hier im Norddeutschen Tiefland.

Heute sind mir 3 unglückliche Flussneunaugen begegnet. Das nehme ich zum Anlass, ein wenig über diese Tiere und die spezielle Situation für sie an der Seeve zu schreiben.

Kopfpartie eines toten Flussneunauges - gut erkennbar: die 7 Kiemenöffnungen und das Auge. Zählt man die hier nicht sichtbare Nasenöffnung dazu, kommt man auf die "9 Augen".

Kopfpartie eines toten Flussneunauges - gut erkennbar: die 7 Kiemenöffnungen und das Auge. Zählt man die hier nicht sichtbare Nasenöffnung dazu, kommt man auf die "9 Augen".

Von der Elbmündung aufwärts schwimmend arbeiten sich die laichreifen Individuen von Fluss- und Meerneunaugen in Richtung ihrer Geburtsgewässer vor - hier: die Elbe oberhalb Hamburg unmittelbar vor der Seeve-Mündung.

Von der Elbmündung aufwärts schwimmend arbeiten sich die laichreifen Individuen von Fluss- und Meerneunaugen in Richtung ihrer Geburtsgewässer vor - hier: die Elbe oberhalb Hamburg unmittelbar vor der Seeve-Mündung.

Nach dem Durchqueren des Seevesiels im Schutzdeich passieren die Tiere die wegen mangelnder Überwachung zerstörte Flusslandschaft. - Widerrechtlicher Ackerbau bis an den Gewässerrand, Pflügen bis an die bis vor wenigen Jahren durchgängig vorhanden gewesenen Ufergaleriebäume - Folge ist schleichender Totalverlust.

Nach dem Durchqueren des Seevesiels im Schutzdeich passieren die Tiere die wegen mangelnder Überwachung zerstörte Flusslandschaft. - Widerrechtlicher Ackerbau bis an den Gewässerrand, Pflügen bis an die bis vor wenigen Jahren durchgängig vorhanden gewesenen Ufergaleriebäume - Folge ist schleichender Totalverlust.

Brückenquerungen mit ihrem festen Unterbau zeigen die übermäßig ausgeprägte Erosion der gestörten Seeve: überall Zeichen notwendigen Restaurierens! Hydraulisch schwache Tierarten können solche Abrisse zunehmend schlechter passieren.

Brückenquerungen mit ihrem festen Unterbau zeigen die übermäßig ausgeprägte Erosion der gestörten Seeve: überall Zeichen notwendigen Restaurierens! Hydraulisch schwache Tierarten können solche Abrisse zunehmend schlechter passieren. (Im Hintergrund sichtbar: das Maschener Seevewehr.)

Bald schon kommen die Wanderer am Wehr Maschen an - wie alle anderen Hindernisse eine Stelle, an der Zuständige eine qualifizierte Durchwanderbarkeit herstellen müssen.

Bald schon kommen die Wanderer am Wehr Maschen an - wie alle anderen Hindernisse eine Stelle, an der Zuständige eine qualifizierte Durchwanderbarkeit herstellen müssen.

Blick auf das Wehr aus etwas größerer Entfernung. Der tosende Zufluss im Vordergrund ist der Austritt eines Fischpasses, über den gleich detaillierter zu berichten ist. - VorwBald schon kommen die Wanderer am Wehr Maschen an - wie alle anderen Hindernisse eine Stelle, an der Zuständige eine qualifizierte Durchwanderbarkeit herstellen müssen. - Vorweg gesagt: durch dieses Tosen arbeiten sich einige Tierarten tatsächlich bachauf.

Das Wehr aus etwas größerer Entfernung betrachtet. Was tost da so im Vordergrund? Es ist der Austritt des Jahrzehnte alten Fischpasses, über den noch detaillierter zu berichten sein wird. - Vorweg gesagt: durch dieses Tosen arbeiten sich einige Tierarten tatsächlich bachauf.

Der Fischpass Maschen ist vor vielen Jahrzehnten gebaut worden nach intensiven hydraulischen Untersuchungen an einer norddeutschen Universität. Das war vor der Zeit, dass Durchwanderbarkeit von Gewässern in Deutschland (wieder – preussische Gesetze kannten so etwas als notwendige Vorgabe!) als rechtlich zu verankerndes Grundgut schriftlich fixiert wurde.

Klarheit hat – nach tastenden Versuchen seit den 1980ern – erst die Wasserrahmenrichtlinie gebracht.

Um so mehr ist der Versuch zur Realisierung der Durchwanderbarkeit am Wehr Maschen ein frühes Lehrstück, an dem es noch heute viel zu erkennen gibt.

Inzwischen entspricht dieses Bauwerk in keiner Weise fachlichen Anforderungen. Es ist an der Zeit, hier Abhilfe zu schaffen.

Blick von Oberstrom: Aufstau der Seeve (rechts oben das Wehr), damit Wasser links in den Seevekanal Richtung Harburger Industrie abgeleitet werden kann.

Blick von Oberstrom: Aufstau der Seeve (rechts oben das Wehr), damit Wasser links in den Seevekanal Richtung Harburger Industrie abgeleitet werden kann.

Blick von Oberstrom: Detail Gesamteindrucck des Fischpasses am rechten Seeveufer - ein eigen- und wohl einzigartiges Bauwerk der Vergangenheit.

Blick von Oberstrom: Detail Gesamteindrucck des Fischpasses am rechten Seeveufer - ein eigen- und wohl einzigartiges Bauwerk der Vergangenheit.

Seinerzeit hatte man geplant, in einer Art Tümpelbeckenpass mit zwischengeschalteten Passagebereichen den Wehrabsturz kompensieren zu wollen. – Sie sehen keine Passage, nur Beton? Richtig: Im Beton sind unter Wasser jeweils 2 Löcher, durch die das Wasser strömt. Hier sollen und müssen Wanderwillige durch. (Ich bezeichne diese turbulenten Bereiche willkürlich gern als Delphin-Trainingseinheiten. Vielleicht würden Delphine auch über den Beton springen wollen.)

Heute stellen sich die früheren Tümpelbereiche als durchgängige, vielfältige Kleineinheiten von Landschaft dar. Im folgenden Bild wird die aus der Planung entstandene Ur-Realität beschrieben.

Heute stellen sich die früheren Tümpelbereiche als durchgängige, vielfältige Kleineinheiten von Landschaft dar. Im folgenden Bild wird die aus der Planung entstandene Ur-Realität beschrieben.

Die aufgeweiteten Tümpelbereiche (gelbe Darstellung der ursprünglichen Uferlinie) - in der Planung als Rastkolke gedacht  - fungierten im Erosions-Sand führenden Tieflandgewässer als Sandfänge. Die Gesamtfläche der Tümpel war ca. 2-5 cm schwach mit Wasser überflossen, in Betonnähe sorgte die dort gebündelte Strömung für kleine, abgesonderte Tiefwasserbereiche ober- und unterstroms.

Die aufgeweiteten Tümpelbereiche (gelbe Darstellung der ursprünglichen Uferlinie) - in der Planung als Rastkolke gedacht - fungierten im Erosions-Sand führenden Tieflandgewässer als Sandfänge. Die Gesamtfläche der Tümpel war ca. 2-5 cm schwach mit Wasser überflossen, in Betonnähe sorgte die dort gebündelte Strömung für kleine, abgesonderte Tiefwasserbereiche ober- und unterstroms.

Über viele Jahre war eine Wanderorganismenpassage in dieser „Sandfang-Situation“ unmöglich. Die in den Elbe-Abwasserjahrzehnten relativ wenigen Meerforellen, die das Sauerstoffloch bei Hamburg passieren konnten, sprangen sich am Seevewehr die Köpfe blutig.

Anglervereine versuchten in vielen und langen Gesprächen mit Unterhaltungsverband und zuständigen Verwaltungen Abhilfe zu schaffen. – Osmerus schlug Anfang der 1980er vor, die Zeichen des Bauwerks zu lesen und zu nutzen: in verengten Bereichen (den Durchlässen im Beton) sorgte die turbulente Strömung für Tiefwasser – warum also dies nicht im „Sandfang“ nutzen und Einengungen bauen ? !

Dankenswerter Weise trat das damalige Wasserwirtschaftsamt Lüneburg mit seinem Amtsleiter Thienel auf den Plan. Unbürokratisch entsandte er seinen Bautrupp und schnell waren wir uns einig: buhnenartig gestackte Einbauten würden Turbulenz induzieren und den antransportierten Sand zu einer Kleinlandschaft formen, die sich allein weiterentwickeln dürfte. Die roten Eintragungen im vorstehenden Bild geben dies in etwa wider (Klick auf`s Foto oben – und es erscheint in groß, mit lesbarem Text).

Detail einer buhnenartigen Einengung, wie sie in jedem Tümpelteil realisiert wurde.

Detail einer buhnenartigen Einengung, wie sie in jedem Tümpelteil realisiert wurde.

Die hydraulischen Untersuchungen der ursprünglichen Passplanung zeigten, dass die Betondurchlässe so heftig durchströmt wurden, dass Leitbahnen benötigt wurden. Hier ein Beispiel der jeweils unterstrom angebrachten Einbauten.

Die hydraulischen Untersuchungen der ursprünglichen Passplanung zeigten, dass die Betondurchlässe so heftig durchströmt wurden, dass Leitbahnen benötigt wurden. Hier ein Beispiel der jeweils unterstrom angebrachten Einbauten.

Die ursprünglich offen gelassenen Leitbauten hatten Nachteile. Tiere konnten hinein gelangen und elend zugrunde gehen. So wurden viele Versuche unternommen, die Offenstellen irgendwie zu füllen.

Die ursprünglich offen gelassenen Leitbauten hatten Nachteile. Tiere konnten hinein gelangen und elend zugrunde gehen. So wurden viele Versuche unternommen, die Offenstellen irgendwie zu füllen.

Und so landen wir beim Thema dieses Blog-Eintrags "Neunaugen": Bei hydraulisch stärker beaufschlagten Situationen gelangen auch Flussneunaugen auf diese Flächen. Womöglich wollen sie bei höherem Wasserstand sogar hier im Kies laichen ... - Abhilfe kann nur eine vollständige Abdeckung bzw. der völlige Neubau der Gesamtanlage nach heutigem Stand der Technik bringen.

Und so landen wir beim Thema dieses Blog-Eintrags "Neunaugen": Bei hydraulisch stärker beaufschlagten Situationen gelangen auch Flussneunaugen auf diese Flächen. Womöglich wollen sie bei höherem Wasserstand sogar hier im Kies laichen ... - Abhilfe kann nur eine vollständige Abdeckung bzw. der völlige Neubau der Gesamtanlage nach heutigem Stand der Technik bringen.

Weitere „Sehen Lernen-Erlebnisse“ bringen Aufschluss über leicht umsetzbare Verbesserungsmöglichkeiten – nicht nur für hier, sondern fast für überall.

Der Wassereintritt in den Fischpass mit Schwimmstoffabweiser. Überbreit gebaut werden im Vordergrund die "Sandfang-Folgen" in Ansätzen deutlich. Baggern bringt da keine Lösung.

Der Wassereintritt in den Fischpass mit Schwimmstoffabweiser. Überbreit gebaut werden im Vordergrund die "Sandfang-Folgen" in Ansätzen deutlich. Baggern bringt da keine Lösung.

Gleich unterhalb des Einlaufs in den Fischpass ist schon die Lösung zu sehen. Wie in den Tümpelbereichen benötigt es "nur" Turbulenz-induzierender Einbauten, hier: Großsteine, um die Sandfangwirkung aufzuheben und Durchwanderbarkeit sicherzustellen. - Ja, und gucken Sie hin: Da ist doch schon optisch "Leben im Bach". - Das nächste Foto bezieht sich auf den im Hintergrund grün sichtbaren Bereich.

Gleich unterhalb des Einlaufs in den Fischpass ist schon die Lösung zu sehen. Wie in den Tümpelbereichen benötigt es "nur" Turbulenz-induzierender Einbauten, hier: Großsteine, um die Sandfangwirkung aufzuheben und Durchwanderbarkeit sicherzustellen. - Ja, und gucken Sie hin: Da ist doch schon optisch "Leben im Bach". - Das nächste Foto bezieht sich auf den im Hintergrund grün sichtbaren Bereich.

Aufwärts in Richtung des vorigen Fotos gesehen: fehlende Uferbäume führten zu erheblicher Erosion im Prallhangbereich. Stacken und Bodenhinterfüllen bringt keine dauerhafte Lösung. Erst das Bäume wachsen lassen, hier vermutlich: Jung-Erlenpflanzen in 1 m-Abstand, kann systembedingt nachhaltig wirken.

Aufwärts in Richtung des vorigen Fotos gesehen: fehlende Uferbäume führten zu erheblicher Erosion im Prallhangbereich. Stacken und Bodenhinterfüllen bringt keine dauerhafte Lösung. Erst das Bäume wachsen lassen, hier vermutlich: Jung-Erlenpflanzen in 1 m-Abstand, kann systembedingt nachhaltig wirken.

Der Fischpass ist heute also vielfältiger strukturiert und belebt als die Seeve.

Verlassen wir nun das Lehrbeispiel Fischpass und werfen einen Blick nach oberstrom, auf das sommerkühle Forellen- und Äschengewässer Seeve.

Das selbe Bild, wenn man weiss, was es zu sehen gilt: Am linken Seeveufer, hier rechts, da der Blick bachauf geht, herrscht die fast überall zu findende Situation. Sei es Vernachlässigung, sei es Mutwilligkeit - der standorttypische Baumsaum ist verschwunden. Erosion schafft Überbreite und Strukturverlust. In-stream Restaurieren brächte mit wenig Aufwand schnell Abhilfe.

Das selbe Bild, wenn man weiss, was es zu sehen gilt: Am linken Seeveufer, hier rechts, da der Blick bachauf geht, herrscht die fast überall zu findende Situation. Sei es Vernachlässigung, sei es Mutwilligkeit - der standorttypische Baumsaum ist verschwunden. Erosion schafft Überbreite und Strukturverlust. In-stream Restaurieren brächte mit wenig Aufwand schnell Abhilfe.

"Der Baum" - Diese Alt-Erle zeigt, was Gewässerstruktur und Erosionsschutz heisst.

"Der Baum" - Diese Alt-Erle zeigt, was Gewässerstruktur und Erosionsschutz heisst.

So haben wir also auf kleinem Raum Ursachen fast überall vorhandener Gewässerschäden und Möglichkeiten zur Verbesserung kennen gelernt.

Nachzulesen ist das im Gesamtüberblick und in 3 Jahrzehnten Historie auch.

Und für das noch immer unterbelichtete Thema „Der Baum“ gucken Sie bitte mal unter „Bach-Mann“ (ein Bisschen im Link runterrollen, dann erscheint`s).

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